
Was ist Hochsensibilität

Lesezeit ca. 11 Minuten
Wie feine Wahrnehmung zur Stärke werden kann
Es gibt Menschen, die Reize intensiver wahrnehmen als andere – Geräusche, Stimmungen, Gerüche, sogar die feinen Schwingungen in einem Raum. Vielleicht gehörst ja auch Du zu ihnen.
Kennst du das?
- Du betrittst einen Veranstaltungsraum mit mehreren Menschen und spürst sofort die unterschiedlichen Stimmungen jeder Gruppe.
- Du fühlst Dich gestresst und gereizt, weil du dein Umfeld als zu laut empfindest – während andere sich fragen, was du eigentlich hast.
- Du kannst erahnen, wie es deinem Gegenüber geht, und spürst fein, wenn dir jemand etwas vormacht.
- Du brauchst eine Sonnenbrille – selbst bei bedecktem Himmel.
- Du musst eine Shopping-Tour abbrechen, weil Dich die Menschenmenge in der Fußgängerzone innerlich überfordert.
- Du gehst in den Wald und zerfließt förmlich in der Schönheit der Pflanzenwelt, in den Düften und Lichtspielen.
- Oder du hörst einen bestimmten Song, bist zu Tränen gerührt und kannst nicht aufhören zu weinen, weil die Klänge deine Seele berühren.
Das sind nur ein paar Beispiele, die in das Thema der Hochsensibilität passen. Situationen, in denen sich feinfühlige Menschen schnell überfordert fühlen von der Lautstärke des Lebens – und gleichzeitig zutiefst berührt sind von Schönheit, Musik oder Begegnungen.

In meiner Arbeit als spirituelle Mentorin und Wegbegleiterin treffe ich viele Menschen, die eigentlich hochsensibel sind, es aber lange nicht wussten. Unsere Gesellschaft zeigt oft noch zu wenig Verständnis für Menschen, die anders wahrnehmen – Menschen, die tiefer fühlen, feiner spüren, sensibler reagieren.
Nicht selten höre ich Sätze wie: „Hochsensibel? Das ist doch mimosenhaft oder überempfindlich – da will ich nicht dazugehören.“
Ich habe beobachtet, dass solche „Urteile“ ihren Ursprung häufig in den Generationen der 1940er bis 1960er Jahre haben, in denen Sensibilität als Schwäche galt. Hochsensible Kinder dieser Generationen hatten/haben mit diesen alten Überzeugungen und Glaubenssätzen ihre Probleme. Sich „abgestempelt“, nicht gesehen, „unnormal“ oder im Abseits fühlen, gehört da zu den häufigsten Erscheinungen.
Um dazuzugehören, wurde gelernt, sich anzupassen – sich zu verbiegen, eigene Grenzen zu übergehen, Reize und Energien auszuhalten, die das eigene System eigentlich völlig überfordern.
Dieser Artikel liegt mir besonders am Herzen.
Denn auch ich bin hochsensibel – in den späten 1960ern geboren und habe die Zusammenhänge mit der Hochsensibilität erst spät in meinem Leben verstanden. Ich begegne vielen Menschen, vor allem Eltern, die Schwierigkeiten haben, die Hochsensibilität ihrer Kinder zu erkennen oder damit umzugehen.
Deshalb entsteht hier eine Serie über Hochsensibilität, die helfen soll zu verstehen,
- was Hochsensibilität wirklich ist,
- wie sie sich zur Stärke entwickeln kann,
- und inwiefern sie mit den Hellsinnen verwandt ist – aber nicht dasselbe meint.

Was der Begriff „Hochsensibilität“ bedeutet
Der Begriff Hochsensibilität (engl. High Sensitivity oder Sensory Processing Sensitivity, SPS) beschreibt ein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal.
Geprägt wurde er in den 1990er Jahren von der amerikanischen Psychologin Elaine N. Aron, deren Forschung bis heute als Grundlage gilt.
Hochsensible Menschen verarbeiten Sinnesreize tiefer und differenzierter. Sie nehmen mehr Informationen gleichzeitig auf, was dazu führt, dass ihr Nervensystem stärker aktiviert ist als bei anderen. Diese erhöhte Reizoffenheit kann sowohl ein Geschenk als auch eine Herausforderung sein.
Etwa 15–20 % der Bevölkerung gelten nach Arons Forschung als hochsensibel. Das zeigt: Hochsensibilität ist kein seltenes Phänomen – aber sie wird in unserer reizüberfluteten Welt häufig missverstanden oder übersehen.

Typisch bei hochsensiblen Menschen
Hochsensibilität zeigt sich bei jedem Menschen anders, doch bestimmte Grundmerkmale finden sich in vielen Beschreibungen wieder.
Nach Elaine Aron (1997) lassen sie sich unter dem Kürzel DOES zusammenfassen:
- D – Depth of Processing:
Hochsensible Menschen denken und fühlen tiefer. Sie reflektieren länger und erkennen oft Zusammenhänge, die anderen entgehen. - O – Overstimulation:
Ihr Nervensystem reagiert schneller überreizt. Zu viele Eindrücke – Lärm, Menschenmengen, grelles Licht – können zu Erschöpfung führen. - E – Emotional Responsiveness & Empathy:
HSPs (Highly Sensitive Persons) empfinden Emotionen besonders stark, sind empathisch und mitfühlend. - S – Sensitivity to Subtleties:
Feinheiten in Gestik, Tonfall oder Atmosphäre werden sofort wahrgenommen.
Studien mit bildgebenden Verfahren (z. B. Acevedo et al., 2014, Brain and Behavior) zeigen, dass bei HSPs Gehirnregionen, die für Empathie und Reizverarbeitung zuständig sind, besonders aktiv sind.

Kein Krankheitsbild – sondern eine Veranlagung
Wichtig ist: Hochsensibilität ist keine Diagnose und keine Schwäche.
Sie beschreibt eine biologische und emotionale Empfindsamkeit, die – unter passenden Lebensbedingungen – zur Quelle von Kreativität, Intuition und Mitgefühl werden kann.
In einer Welt, die oft auf Schnelligkeit, Lautstärke und Dauerpräsenz setzt, brauchen Hochsensible bewusste Strategien, um in Balance zu bleiben.
Dazu mehr im zweiten Teil dieser Serie.

Kleine Selbstreflexion: Bin ich hochsensibel?
Dieser Mini-Check dient nur zur Orientierung und ersetzt keine Diagnostik.
Beantworte die folgenden Aussagen intuitiv mit trifft zu, manchmal oder trifft nicht zu:
- Ich reagiere empfindlich auf laute Geräusche, grelles Licht oder intensive Gerüche.
- Ich spüre die Stimmungen anderer Menschen sofort, auch wenn sie nichts sagen.
- Ich brauche nach sozialen Kontakten Zeit für mich, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen.
- Ich nehme Kunst, Musik oder Natur sehr intensiv und berührend wahr.
- Ich analysiere Entscheidungen gründlich und neige zum Grübeln.
- Ich fühle mich schnell überfordert, wenn viele Eindrücke gleichzeitig auf mich einströmen.
- Ich habe ein feines Gespür für Disharmonie oder Unstimmigkeiten in Gruppen.
- Ich bin empathisch und reagiere stark auf das Leid anderer.
Wenn du bei mehr als der Hälfte der Aussagen mit trifft zu geantwortet hast, spricht vieles dafür, dass du hochsensibel bist – oder über eine besonders ausgeprägte Wahrnehmungsfähigkeit verfügst.

Hochsensibilität und Hellsinne – wo liegt die Verbindung?
Viele Menschen, die sich als hochsensibel erleben, berichten zusätzlich von intuitiven oder hellsinnigen Wahrnehmungen. Sie spüren die unterschiedlichsten Energien in ihrem Umfeld, nehmen unausgesprochene Informationen wahr oder fühlen eine außergewöhnliche Verbundenheit zur Natur.
Differenzierter betrachtet:
- Hochsensibilität beschreibt eine neurologisch-psychologische Veranlagung: Das Nervensystem reagiert feiner auf Reize.
- Hellsinnigkeit (z. B. Hellfühligkeit unterschiedlicher Art, Hellwissen) beschreibt erweiterte Wahrnehmungen, die über die fünf Sinne hinausgehen. Sie werden meist im spirituellen Kontext verstanden.
Beide Phänomene überschneiden sich in ihrer Feinfühligkeit, unterscheiden sich jedoch in ihrer Quelle:
Während Hochsensibilität wissenschaftlich erforscht und mit Prozessen des Nervensystems in Verbindung gebracht wird, bleibt Hellsinnigkeit ein Bewusstseins- und Erfahrungsthema.
Aus meiner Erfahrung in der Energiearbeit und aus vielen Begegnungen mit Klient*innen weiß ich, dass sich bei hochsensiblen Menschen oft auch hellfühlige oder besonders intuitive Fähigkeiten zeigen.
Ebenso erlebe ich, dass ausgeprägt hellsinnige Menschen häufig Merkmale von Hochsensibilität aufweisen.
Für mich ist das kein wissenschaftlich belegter Zusammenhang, sondern eine persönliche Beobachtung, die sich in meiner Praxis immer wieder bestätigt.
Daher empfinde ich es als hilfreich, hochsensible Menschen auf mögliche Hellsinne-Erfahrungen aufmerksam zu machen – und hellfühlige Menschen dazu einzuladen, sich auch mit dem Thema Hochsensibilität zu beschäftigen.

Hochsensibilität als Gabe der neuen Zeit
Immer mehr Menschen erkennen, dass ihre hohe Empfindsamkeit kein Nachteil ist, sondern eine Einladung, bewusster mit sich selbst und der Welt umzugehen.
Hochsensible tragen mit ihrer Wahrnehmung, Empathie und ethischen Achtsamkeit dazu bei, dass Menschlichkeit und Mitgefühl in einer komplexen Welt nicht verloren gehen.
Und es berührt mich immer wieder, wenn ich erlebe, wie hochsensible Menschen beginnen, zu sich zu stehen, gut für sich zu sorgen und sich nicht länger verbiegen, nur um irgendwo dazuzugehören.
Denn genau darin liegt ihre stille Stärke: im Mut, authentisch zu bleiben – auch dann, wenn die Welt um sie herum lauter ist, als ihnen guttut.
Hochsensibilität ist kein Defizit, das geheilt werden muss, sondern eine feine Art, die Welt wahrzunehmen.
Wenn wir lernen, mit dieser Feinfühligkeit achtsam umzugehen, wird sie zu einer inneren Führungskraft – zu einem Kompass, der uns den Weg weist, wenn das Außen laut wird.
Sie kann ein Weg zur inneren Mitte sein. Ein Weg, bei dem es nicht darum geht, weniger zu fühlen, sondern bewusster zu spüren.
Die eigene Empfindsamkeit nicht länger zu verstecken, sondern sie als Stärke zu leben – als Beitrag zu einer Welt, die wieder empfindsamer wird.

Ausblick
Im nächsten Teil dieser Serie geht es darum, wie hochsensible Menschen in einer schnellen, reizüberfluteten Welt ihr Wohlbefinden stärken können – mit konkreten Strategien und energetischen Ankern für den Alltag.
Wenn Dich dieses Thema berührt, könnte auch mein Newsletter interessant für Dich sein.
Darin gehe ich jeweils zu Monatsbeginn auf die aktuellen energetischen Zeitqualitäten ein – wertvolle Hinweise für alle, die aktiv am Bewusstseinswandel der neuen Zeit teilhaben und lernen möchten, sich energetisch besser abzugrenzen und im eigenen Gleichgewicht zu bleiben.
🌸
Herzliche Grüße aus der Mitte
Claudia

Zum Weiterlesen:
Wenn Du wissen möchtest, wie sich feine Wahrnehmungen auch auf körperlicher Ebene zeigen können, lies gern weiter im Artikel:
◈ Aufstiegssymptome – Einflüsse der energetischen Evolution auf unser Wohlbefinden
Auch hochsensible Personen profitieren davon, ihr Energiefeld regelmäßig zu klären. Wie das funktioniert, erkläre ich im Beitrag
◈ Was ist eine Auraharmonisierung?
Mehr über die Kunst, auch in herausfordernden Zeiten in deiner Mitte zu bleiben, erfährst Du in den folgenden Artikeln:
◈ Spirituelle und energetische Balance finden – dein Anker im Wandel der Zeit

Quellen & weiterführende Literatur
Aron, Elaine N. (1997): The Highly Sensitive Person: How to Thrive When the World Overwhelms You. Broadway Books, New York.
Offizielle Webseite zur Hochsensibilität von Dr. Elaine Aron – HSPerson.com
Wikipedia: Hochsensibilität (deutsch)
ResearchGate: Intuition in Decision-Making in Highly Sensitive Persons