
Lesezeit ca. 6 Minuten
Neben den großen Sonnen-Festen – den Sonnwenden und Tagundnachtgleichen – gibt es im 8-fachen Jahreskreis der keltischen Tradition die 4 Mondfeste, die zwischen den Sonnenfesten liegen.
Ursprünglich wurden diese Feste nach dem natürlichen Rhythmus gefeiert, oft zum Vollmond rund um den jeweiligen Zeitraum. Heute sind sie meist festen Kalendertagen zugeordnet – auch wenn die spirituelle Bedeutung eng mit den lunaren Zyklen verwoben bleibt.
So fällt das erste Erntefest – auch Schnitterfest oder Lammas genannt – je nach Tradition auf den 1. August, auf die Nacht vom 31. Juli auf den 1. August oder auf den Augustvollmond. Es markiert den Übergang in das letzte Viertel des Jahresrades – eine Zeit des Innehaltens, der Reife und der bewussten Wandlung.
Seinen Ursprung hat das Fest im altirischen Lughnasadh (sprich: Luu-nah-sah), was so viel bedeutet wie „Lugh’s Versammlung“.

Ursprung und Mythologie
Lughnasadh, im modernen Irisch Lúnasa, ist eines der vier großen keltischen Jahreskreisfeste neben Imbolc, Beltane und Samhain. Es liegt zwischen Sommer‑Sonnenwende und Herbst‑Tagundnachtgleiche. In früheren Zeiten hat man diesen Tag astronomisch anhand der Sonnendeklination – dem Winkel zwischen Sonne und Himmelsäquator – von +16° bestimmt. Was ungefähr auf den 1. / 2. August fiel.
Der Name stammt vom Gott Lugh, der dieses Fest gemäß den mythologischen Überlieferungen zum Gedenken des Todestages seiner Ziehmutter Tailtiu eingeführt hat.
Die Erdgöttin Tailtiu gilt als eine der bedeutendsten Göttinnen in der keltischen Mythologie. Sie war Stiefmutter oder Amme von Lugh und steht für Fruchtbarkeit, Wiedergeburt und das Leben selbst.
Der Legende nach rodete sie mit unermüdlicher Hingabe weite Flächen in Irland, um es für den Ackerbau fruchtbar zu machen – eine Aufgabe, die sie so erschöpfte, dass sie daran starb. Ihre letzte Bitte: dass dieses Land weiterhin zum Wohle der Menschen genutzt werde. Ihr Tod wurde zur Geburt eines lebendigen Rituals – Lughnasadh, das Erntefest, das ihr Sohn Lugh zu ihren Ehren ins Leben rief.
Die nach ihr benannten Tailteann-Spiele, die zu Lughnasadh abgehalten wurden, waren mehr als nur Sportveranstaltungen – sie waren Ausdruck kollektiven Gedenkens, Freude am Leben und Ehrung der mütterlichen Kräfte.
Historisch gesehen ähnelten sie antiken olympischen Spielen: Mit Wettkämpfen, Musik, Erzählungen und sozialen Ritualen verbanden sie die Menschen miteinander. Weit vor den viel später eingeführten olympischen Wettkämpfen Griechenlands. Erst mit der Christianisierung verschwanden die Tailteann Games für viele Jahrhunderte – und wurden im 20. Jahrhundert nur für kurze Zeit wiederbelebt.

Lughnasadh – ein Fest der Ernte, Erinnerung und Kreativität
Lughnasadh, gefeiert am oder um den 1. August, ist das erste der drei keltischen Erntefeste. Es markiert den Beginn der Erntezeit – eine Phase, in der sichtbar wird, was aus der Saat des Frühlings gewachsen ist. In vielen neopaganen oder druidisch orientierten Gruppen wird Lughnasadh heute noch gefeiert: mit Brotbacken, Festmahlen, künstlerischen Darbietungen, kleinen Opfergaben und Pilgerwegen zu heiligen Orten.
Die Energie dieser Zeit lädt uns ein, innezuhalten:
- Was habe ich in diesem Jahr erschaffen?
- Welche Früchte darf ich ernten?
- Welche Kraft hat mich getragen – und was darf ich nun loslassen?

Wer war Lugh?
Der Name Lugh bedeutet Licht oder der Helle, der Scheinende.
In der Mythologie folgte Lugh dem keltischen Sonnengott Bel. Und so, wie auch das spätere lateinische Wort lux für Licht steht, stand Lugh bei den Kelten als ein Allround-Gott da. Er war der scheinende Held, der, der alles konnte, dem Blitz und Sonnenlicht gehorchten, der mit den Raben sprach und der als Heiler und Schutzpatron der Barden (Sänger und Dichter) ein so leuchtendes Antlitz hatte, das ihm niemand ins Gesicht blicken konnte.
Mythologisch besteht ein Bezug dieser archetypischen Götterkraft nicht nur zum älteren, keltischen Bel, sondern auch zum germanischen Odin (Wotan) oder dem römischen Götterboten Hermes / Merkur. In christlicher Fortsetzung dieser archetypischen Energie wurde wohl der Heilige Michael gesehen. Einige der ehemaligen heiligen Lugh-Orte wurden christliche St. Michaels-Plätze.
Warum Lughnasadh nicht „Tod des Lugh“ bedeutet
Oft liest man die Übersetzung für Lughnasadh sei „Tod des Lugh“. (So auch im deutschen Wikipedia-Artikel dazu).
Diese Übersetzung konnte ich in dem Kontext nicht nachvollziehen und habe weiter geforscht. Denn warum sollte dieses Fest „Tod des Lugh“ heißen, wenn es doch dem „Tod der Tailtiu“ zu Ehren stattfand?
Tatsächlich gibt es Quellen, die den Namen vom altirischen Lugh + nas ableiten (Lugh und Tod) und andere von Lugh + násad – was Versammlung, Fest oder auch Zusammenkunft bedeutet
Das Fest Lughnasadh wurde von Lugh selbst zu Ehren seiner verstorbenen Ziehmutter Tailtiu gestiftet – es geht also nicht um seinen eigenen Tod, sondern um das von ihm veranstaltete Fest.
So ist also die kontextbezogene Bedeutung von Lughnasadh „Versammlung des Lugh“. [1,2]
Eine altirische Form für „Tod des Lugh“ wäre eher Bás Lugh.

Botschaft der Erdgöttin für unsere Zeit
Auch heute kann Tailtius Geschichte eine kraftvolle spirituelle Orientierung sein. In einer Welt, die häufig den Bezug zur Erde verliert, erinnert sie uns an unsere Verantwortung: für das, was wir nähren, schützen und weitergeben. Tailtiu zeigt uns, dass wahre Fülle durch Hingabe, Arbeit und Liebe entsteht – nicht durch Ausbeutung.
Impulse zu Lughnasadh:
- Besuche einen Ort, der mit Landwirtschaft verbunden ist – z. B. ein Garten, ein Feld oder ein Bauernhof. Geh achtsam, mit Dankbarkeit.
- Räume auf – in Deinem Umfeld oder im übertragenen Sinne. Wie Tailtiu einst die Felder rodete, so kannst auch Du Ballast abwerfen.
- Feiere mit anderen: teile selbstgemachtes Brot, erinnere Dich an starke Frauen in Deinem Leben – besonders an mütterliche Ahnenlinien.
- Kreiere etwas: ein Lied, ein Gedicht, ein Bild – etwas, das Deine persönliche Verbindung zur Erntezeit und zur Erde ausdrückt.
- Reflektiere über Deinen Jahresverlauf: Was darf nun abgeschlossen werden? Welche Saat möchtest Du im nächsten Zyklus setzen?

Fazit: Ernte ist mehr als Nahrung
Lughnasadh / Lammas ist ein kraftvolles, tief symbolisches Fest der ersten Ernte, des Dankes, der Fähigkeiten (Lugh) und des Bewusstwerdens eines Wandels – zwischen dem Höhepunkt des Sommers und dem Rückzug der Zeit. Es ist ein Fest, dass unsere Erdverbundenheit und unsere innere Reifung repräsentieren kann.
Und das uns daran erinnert, dass wir Teil eines Kreislaufs sind – zwischen Himmel und Erde, Licht und Schatten, Werden und Vergehen.
Lughnasadh kann uns auch daran erinnern, dass jedes Korn, jede Frucht, jedes gelungene Projekt auf einer Entscheidung beruht: dem Leben zu dienen.
Der 1. August lädt uns ein, in Dankbarkeit zu ernten, bewusst loszulassen und uns auf die nächste Bewegungsphase vorzubereiten – vielleicht mit rituellen Gesten und erdverbundener Praxis. Mit Achtsamkeit, Bewusstheit und einem offenen Herzen für das, was in Dir reifen durfte in den letzten Monaten.
🌸
Ein stiller Gruß aus der Mitte
Claudia


Quellen:
[1] Vgl. englischer Wikipedia-Artikel zu „Lughnasadh“ (Stand Juli 2025), der die altirische Etymologie differenziert darstellt: Kombination aus Lugh (der Lichtgott) und násad („Versammlung“), nicht – wie gelegentlich fälschlich behauptet – „Tod des Lugh“.
[2] Zum altirischen Wortfeld vgl. auch das Dictionary of the Irish Language (DIL), Einträge zu „násad“ und „nás“.
Weitere:
Brehonacademy: Taitliu, the divine maternal heartbeat of Irelenads landscape
Grüne Insel: Taitliu, die irische Festgötting
Alle Quellenlinks zuletzt abgerufen im Juli 2025
Bild: Raphael Rychetsky / unsplash
0 Kommentare