Hast Du eine Vorstellung von Weisheit?
Veröffentlicht von Claudia von der Wehd in weibliche Archetypen · 5 Juni 2022
Weisheit ist nicht gleich Weisheit
Wie in meinem gestrigen Beitrag angesprochen, scheint der Begriff »Weisheit« nicht wirklich allgemein gültig greifbar zu sein.
Vielleicht, weil man in der heutigen Zeit gerne alles wissenschaftlich erklärbar, definierbar, beweisbar oder messbar hätte. Und genau das funktioniert wohl mit dem Begriff der Weisheit nicht.
Vielleicht gibt es ja einige Philosophen unter Euch, die dazu etwas sagen können…(?)
Für den Moment gehe ich nach meinen Recherchen und Euren Feedbacks davon aus, dass es keine eindeutige Definition gibt.
Wer aber mit der Frage nach Weisheit konfrontiert wird, spürt etwas tief in sich. Ein Gefühl, vielleicht ein Bild. Etwas, dass eine Assoziation auslöst. Ähnlich wie bei der Befragung der jungen Leute, denen dazu Figuren wie ein Gandalf oder eine Prof. McGonagall einfielen.
Es gibt irgendwo ein Urbild in uns, eine tiefe Vorstellung von Weisheit, die nicht immer greifbar ist.
Meine Annahme ist: Weisheit ist ein Attribut, das in unserer Seele als eine Art Urbild schlummert.
Also eine Zugehörigkeit zu den Urformen, die im kollektiven Unbewussten gespeichert sind. Das führt zwangsläufig zur Archetypenlehre nach C.G. Jung. Er war ein Vorreiter in der Psychologie mit der Erfassung und »Kartographie« der Urbilder der Seele. In seinem Modell steht der »weise Alte« in Bezug zur Weisheit. Viele andere Archetypen-Systeme haben sich seither entwickelt.
Letztlich gab es diese Urbild-Modelle wohl schon viel, viel länger. Jeder, der sich einmal etwas näher mit Mythologie auseinander gesetzt hat, wird das bestätigen können.
Die Darstellungen und Schilderungen von Göttern und Göttinnen, ob römisch, griechisch, germanisch, keltisch oder aus anderen Kulturen verkörperten immer auch bestimmte Eigenschaften und Urbilder jener Zeit, in der sie entstanden sind.
Viele Entwicklungen, Prägungen, Konditionierungen, kulturelle / religiöse Einflüsse und Verschiebungen gesellschaftlicher Strukturen haben diese Bilder im Lauf der Jahrhunderte verzerrt, verdrängt oder auch völlig aus unserem Bewusstsein geräumt. Alte Geschichten, an denen nichts dran ist... oder doch?
Immer mehr Menschen beschäftigen sich wieder mit den Mythologien der alten Götter und Göttinnen. Das braucht man nur mal in einer Suchmaschine eingeben.
So ist es dann ja auch nicht mehr verwunderlich, wenn sich hier ein Bogen spannt. Der Bogen von den alten Göttern zu den Urbildern der Moderne. Zu dem, wie die Eigenschaften und Rollencharakterisierungen heute erscheinen und wie entsprechend die Weisheit heute wahrgenommen werden kann.
Beispiel: Professor McGonagall, Lehrerin für das Hauptfach der Verwandlungskünste in den Harry Potter-Romanen heißt mit Vornamen Minerva. Minerva war unter anderem die römische Göttin für Weisheit. Wie praktisch sich das die Autorin, Frau Rowling überlegt hat und so ganz dezent ein Urbild für Weisheit platziert hat.
Es gibt unzählige Beispiele dieser Art. Nicht nur Filme und Serien, Romane und Lektüren sind voll davon. Schriftsteller, Drehbuchautoren, Marketingexperten und Unternehmensstrategen bedienen sich der Archetypenlehre genauso wie Psychologen, Psychotherapeuten, Coaches und viele mehr.
Jeder Mensch kann diese Urbilder verstehen, sich darin auch auf die ein oder andere Weise wiedererkennen und viel besser mitfühlen – WEIL diese Urbilder zutiefst in unser aller Seelen verankert sind.
Gespeichert im archetypischen Bewusstseinsfeld, das über Jahrhunderte besteht und an das die Menschheit kollektiv angeschlossen ist.
Dann wäre da ja »nur« noch die Frage, wie der Weisheitsbegriff in diese Urbilder passt…
Habt Ihr Ideen dazu?
… Fortsetzung folgt
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